In unregelmäßigen Abständen veröffentlichen wir eigene Rezensionen über Bücher und Texte mit Bezug zur Meinungsfreiheit. Diese Bücherliste wird also laufend erweitert (Stand August 2024).
Timothy Garton Ash: Redefreiheit, Prinzipien für eine vernetzte Welt, 2016.
Rezension von Barbara Erbe:
Noch nie gab es so viele Möglichkeiten wie heute, die eigene Meinung zu äußern. Aber auch Todesdrohungen, pädophile Bilder und gewaltverherrlichende Filme verbreiten sich rasend schnell. Zugunsten der Freiheit propagiert der britische Historiker Timothy Garton Ash ein dickeres Fell für Weltbürger.
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Martin Klingst: Menschenrechte. 100 Seiten, 2024.
Rezension von Manuela Schotte:
Als einstiges Mitglied einer Jugendgruppe von Amnesty International findet Martin Klingst in der bekannten 100 Seiten-Reihe von Reclam einen sehr persönlichen Zugang zur Darstellung der „Menschenrechte“. Zentraler Anstoß zum Verfassen des Bandes jedoch sei die Beobachtung gewesen, dass „es um die Menschenrechte immer öfter auch dort schlecht bestellt ist, wo dies eigentlich nicht der Fall sein sollte: in Demokratien.“ Und so werden dem Journalisten die Fragen nach Ursachen dieser Entwicklung und möglichen Auswegen aus ihr zum Leitfaden seiner Reflexion, in der er fundierte theoretische Ausführungen durchgängig mit einer Vielzahl anekdotisch ausgestalteter Beispiele verknüpft.
Zu Beginn führt er seine Erklärungen zur Geschichte der Menschenrechte – angefangen bei der Magna Charta Libertatum (1215) – sowie zum Gedanken ihrer Universalität parallel mit einer Schilderung der Entwicklung von Amnesty International. Anschließend widmet sich der Autor in gelungener Auswahl spezielleren Themen, nämlich dem Recht auf Asyl, Menschenrechtsverstößen durch demokratische Regierungen einerseits und durch die Wirtschaft andererseits. Stets benennt er diese Missstände nicht nur, sondern zeigt auch Ursachen für sie auf und benennt Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der berechtigten Ansprüche. Angesichts einer stetig steigenden Ausdifferenzierung der Menschenrechte, warnt der jedoch zugleich vor ihrer „Überfrachtung“, weil diese zum Eindruck der Beliebigkeit und ihrer Aushöhlung führe.
Den gelungenen Abschluss des sowohl kurzweiligen als auch informativen Bandes bildet die Wiedergabe eines Gesprächs mit Heiner Bielefeldt, des Erlanger Professors für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik, das die zuvor behandelten Themen unter neuer Perspektive vertieft. Am Ende bleibt ein hoffnungsvoller Blick auf die zahlreichen Menschen, die sich auch heute noch unter schwierigen Bedingungen und großen Gefahren für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen.
Obgleich dem inzwischen in 4. Auflage erschienenen Büchlein stellenweise anzumerken ist, dass es bereits vor rund zehn Jahren, nämlich vor dem Hintergrund der damaligen Fluchtbewegungen, entstanden ist, hat es nichts von seiner Aktualität und Eindringlichkeit eingebüßt und sei damit unbedingt zur Lektüre empfohlen. Der Band ist durch Informationsgraphiken angereichert.
Ich lass mir den Mund nicht verbieten. Journalisten als Wegbereiter der Pressefreiheit und Demokratie. Hrsg. von Michael Haller und Walter Hömberg, 2020.
Rezension von Manuela Schotte:
Was macht das Handeln von Journalisten so gefährlich, dass sie in vielen Ländern – auch der EU – der Verfolgung ausgesetzt sind? Das ist die Leitfrage des von Michael Haller und Walter Hömberg, zwei inzwischen emeritierten Journalistik-Professoren, herausgegebenen Bandes, der die Entwicklung des modernen Journalismus anhand von 60 exemplarischen Porträts schildert. Im Mittelpunkt steht dabei der deutschsprachige Journalismus, doch erfolgt gelegentlich auch ein Blick auf andere Länder, v.a. im angloamerikanischen Raum.
Die Anlage des Buchs ist so einfach wie übersichtlich, denn die Geschichte des Journalismus wird in chronologischer Reihenfolge vom 17. bis zum Ende des 20. Jahrhundert nachgezeichnet. Nach einer Einleitung markieren vier Teile wesentliche historische Etappen. Deren zentrale Merkmale werden jeweils in einer „Einführung“ theoretisch erläutert, bevor sie mittels Einzelbeiträgen über berühmte Journalisten oder Ereignisse konkretisiert werden. Diese nie mehr als fünf Seiten umfassenden Porträts sind durchgängig sehr fachkundig und anschaulich verfasst (meist von Fachwissenschaftlern oder Journalisten), sodass sie eine sowohl informative als auch kurzweilige Lektüre bieten.
Besonders geeignet ist der Band, um gezielt Beiträge nachzuschlagen oder in ihm herumzustöbern, wozu auch einige Abbildungen einladen. Hilfreich bei der Orientierung sind kurze Vorsatztexte zu den Artikeln, in denen die porträtierte Person und die mit ihr verbundenen thematischen Schwerpunkte knapp benannt werden. Eine durchgehende Lektüre der Sammlung ist zwar eindrücklicher und vermittelt gleichsam nebenbei viel Wissenswertes über Literatur-, Kultur-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, wird aber durch einige gedankliche Doppelungen gestört.
Mit Blick auf die Menschenrechte ist der erste Teil des Bandes besonders interessant, der sich mit dem Wechsel vom bloßen Nachrichten- zum Meinungsjournalismus zur Zeit der Aufklärung beschäftigt. Hier wird deutlich, wie (ausgehend vom angloamerikanischen Raum) erste einmal erkannt werden musste, dass Meinungs- und Pressefreiheit für einen öffentlichen Diskurs unerlässlich sind. Gelungen werden dabei Analogien zur heutigen Skepsis gegenüber Medien gezogen.
Das 19. Jh. wird als Phase der zunehmenden Professionalisierung, Ökonomisierung und Differenzierung der journalistischen Arbeit bei gleichzeitiger Vielzahl an Zensurmaßnahmen dargestellt. In dieser Zeit schreite dennoch die Kodifizierung von Presse- und Informationsfreiheit voran und die Vorstellung von den Medien als vierter Gewalt entwickele sich. Überhaupt erwecken die Beiträge im zweiten Teil den Eindruck, dass nun eine grundsätzliche Reflexion über Aufgaben, Methoden, Voraussetzungen und Gefährdungen des Journalismus stattfindet, die oft von fortbleibender Gültigkeit ist, z.B. wenn es um Recherchepraxis oder die Glaubwürdigkeit der Medien geht. Literarisch Interessierte werden hier zudem neue Perspektiven auf wohlbekannte Persönlichkeiten (Heinrich Heine, Georg Büchner, Aleksander Puschkin, Émile Zola u.v.m.) finden. Auch weibliche Protagonistinnen (z.B. Louise Otto, Hedwig Dohm, Nelly Bly) treten hervor, die ihre journalistische Arbeit nutzen, um sich für Frauenrechte einzusetzen.
Der dritte Teil, der sich der ersten Hälfte des 20. Jh. widmet, bietet anschließend sehr unterschiedliche Beispiele für das Agieren von Journalisten während der beiden Weltkriege, als die Pressefreiheit erneut eingeschränkt wird. Verwiesen wird auf die Entstehung von Sozial-, Gerichts- und Kriegsreportagen, jedoch auch diejenige von Gewerkschaftszeitungen oder journalistischem Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Neben dem mit Friedensnobelpreisträger Carl von Osszietzky wird auch auf ambivalente Figuren wie Fritz Sänger geschaut.
Der vierte und letzte Teil befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Aufbau einer eigenständigen, demokratischen Presse in der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der Entstehung des investigativen Journalismus weltweit. Erneut werden bekannte Persönlichkeiten (z.B. Marion Dönhoff, Jacques Derogy) porträtiert, aber auch große Presseereignisse wie die Watergate-Recherchen der Washington Post oder die Spiegel-Affäre in eingängiger Form zusammengefasst. Die Entwicklungslinie der Gesetzgebung zu Meinungs- und Pressefreiheit findet für Deutschland mit der Festschreibung von Art. 5 des Grundgesetzes sowie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kontrollfunktion der Medien gleichsam einen Abschluss.
Leider fehlt dem historisch angelegten Band ein ausblickendes Nachwort, sodass abgesehen von einigen Einzelbemerkungen der erhebliche Wandel der Medienlandschaft zu Beginn des neuen Jahrtausends kaum eine Rolle spielt. Dennoch schärft die gebotene Zusammenschau den Blick auch für heutige Entwicklungen und wird damit ihrer Leitfrage nach der Gefährdung von Journalisten vollkommen gerecht. Treffend ist und bleibt die Feststellung der Herausgeber „dass demokratisch verfasste und rechtsstaatlich organisierte Gesellschaften auf den Journalismus und den von ihm erzeugten öffentlichen Diskurs angewiesen sind und bleiben“ (S. 13).
Nikola Roßbach: Achtung, Zensur!
Über Meinungsfreiheit und ihre Grenzen, 2018
Rezension von Marie S.
In Deutschland tobt aktuell eine Debatte um die Meinungsfreiheit, in der mit Zensurvorwürfen nur so um sich geworfen wird. Nikola Roßbach vollzieht in ihrem 264-Seitigen Werk eine anschauliche Analyse dieser Debatte, thematisiert ihren Wandel und Ursachen von Zensur. Sie beginnt mit der Klärung des Zensurbegriffs, zeigt ein breites Perspektivenspektrum auf, aus denen sich unterschiedliche Disziplinen dem Phänomen der Zensur nähern und verdeutlicht hierbei: Eine einheitliche Definition von Zensur gibt es nicht. Ihre weiterführende Analyse des aktuellen Diskurses um Meinungsfreiheit und Zensur erfolgt unter eben dieser Prämisse. Durch die Beschreibung unterschiedlicher Zensurverständnisse und Zensurpraktiken der letzten Jahrhunderte sensibilisiert sie für die Relevanz der Thematik verankert in der Geschichte und besprochen in verschiedenen Gesellschaftsformen. Anhand expliziter Beispiele legt sie Motive und Hintergründe für Zensur dar, hinterfragt die Wirkung von Zensur kritisch. Sie füllt ein aktuelles Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und dem Wunsch nach Zensurpraktiken als Grenzen zur (vermeintlichen) Bewahrung der Demokratie. Polemische Zensurvorwürfe demaskiert sie als rhetorische Ablenkungsmanöver, die inhaltliche Diskussionen zum Erliegen bringen oder gar im Vorhinein verhindern. Dabei bezieht sie sich stets auf nachvollziehbare Beispiele aus aktuellen Diskursen beispielsweise um kulturelle Aneignung und geschlechtergerechte Sprache, ohne zu verharmlosen.
Sie beleuchtet sie das Internet und neue Medien als neue, einflussreiche Mitspieler in der Debatte um Meinungsfreiheit und Zensur. Private Unternehmen im Bereich der neuen Medien haben heutzutage große Macht Informationen zu verbreiten und eben auch zurückzuhalten. Nikola Roßbach deklariert den Schutz der Meinungsfreiheit auch in unserem digitalen als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. In einem abschließenden Kapitel resümiert sie über die veränderten Konzepte, Praktiken und Herausforderungen im Themenfeld der Zensur und schließt mit der zukunftsweisenden Frage, welchen Wert Meinungsfreiheit für uns habe.
Nikola Roßbach holt ihre Leser:innen in der Theorie ab und nimmt sie anhand von Beispielen mit in die Praxis. Inhaltlich prägnant formuliert eignet sich dieses Buch vor allem für Neuinteressierte in diesem Themenbereich hervorragend als Einstiegslektüre.