Was macht das Handeln von Journalisten so gefährlich, dass sie in vielen Ländern – auch der EU – der Verfolgung ausgesetzt sind? Das ist die Leitfrage des von Michael Haller und Walter Hömberg, zwei inzwischen emeritierten Journalistik-Professoren, herausgegebenen Bandes, der die Entwicklung des modernen Journalismus anhand von 60 exemplarischen Porträts schildert. Im Mittelpunkt steht dabei der deutschsprachige Journalismus, doch erfolgt gelegentlich auch ein Blick auf andere Länder, v.a. im angloamerikanischen Raum.
Die Anlage des Buchs ist so einfach wie übersichtlich, denn die Geschichte des Journalismus wird in chronologischer Reihenfolge vom 17. bis zum Ende des 20. Jahrhundert nachgezeichnet. Nach einer Einleitung markieren vier Teile wesentliche historische Etappen. Deren zentrale Merkmale werden jeweils in einer „Einführung“ theoretisch erläutert, bevor sie mittels Einzelbeiträgen über berühmte Journalisten oder Ereignisse konkretisiert werden. Diese nie mehr als fünf Seiten umfassenden Porträts sind durchgängig sehr fachkundig und anschaulich verfasst (meist von Fachwissenschaftlern oder Journalisten), sodass sie eine sowohl informative als auch kurzweilige Lektüre bieten.
Besonders geeignet ist der Band, um gezielt Beiträge nachzuschlagen oder in ihm herumzustöbern, wozu auch einige Abbildungen einladen. Hilfreich bei der Orientierung sind kurze Vorsatztexte zu den Artikeln, in denen die porträtierte Person und die mit ihr verbundenen thematischen Schwerpunkte knapp benannt werden. Eine durchgehende Lektüre der Sammlung ist zwar eindrücklicher und vermittelt gleichsam nebenbei viel Wissenswertes über Literatur-, Kultur-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, wird aber durch einige gedankliche Doppelungen gestört.
Mit Blick auf die Menschenrechte ist der erste Teil des Bandes besonders interessant, der sich mit dem Wechsel vom bloßen Nachrichten- zum Meinungsjournalismus zur Zeit der Aufklärung beschäftigt. Hier wird deutlich, wie (ausgehend vom angloamerikanischen Raum) erste einmal erkannt werden musste, dass Meinungs- und Pressefreiheit für einen öffentlichen Diskurs unerlässlich sind. Gelungen werden dabei Analogien zur heutigen Skepsis gegenüber Medien gezogen.
Das 19. Jh. wird als Phase der zunehmenden Professionalisierung, Ökonomisierung und Differenzierung der journalistischen Arbeit bei gleichzeitiger Vielzahl an Zensurmaßnahmen dargestellt. In dieser Zeit schreite dennoch die Kodifizierung von Presse- und Informationsfreiheit voran und die Vorstellung von den Medien als vierter Gewalt entwickele sich. Überhaupt erwecken die Beiträge im zweiten Teil den Eindruck, dass nun eine grundsätzliche Reflexion über Aufgaben, Methoden, Voraussetzungen und Gefährdungen des Journalismus stattfindet, die oft von fortbleibender Gültigkeit ist, z.B. wenn es um Recherchepraxis oder die Glaubwürdigkeit der Medien geht. Literarisch Interessierte werden hier zudem neue Perspektiven auf wohlbekannte Persönlichkeiten (Heinrich Heine, Georg Büchner, Aleksander Puschkin, Émile Zola u.v.m.) finden. Auch weibliche Protagonistinnen (z.B. Louise Otto, Hedwig Dohm, Nelly Bly) treten hervor, die ihre journalistische Arbeit nutzen, um sich für Frauenrechte einzusetzen.
Der dritte Teil, der sich der ersten Hälfte des 20. Jh. widmet, bietet anschließend sehr unterschiedliche Beispiele für das Agieren von Journalisten während der beiden Weltkriege, als die Pressefreiheit erneut eingeschränkt wird. Verwiesen wird auf die Entstehung von Sozial-, Gerichts- und Kriegsreportagen, jedoch auch diejenige von Gewerkschaftszeitungen oder journalistischem Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Neben dem mit Friedensnobelpreisträger Carl von Osszietzky wird auch auf ambivalente Figuren wie Fritz Sänger geschaut.
Der vierte und letzte Teil befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Aufbau einer eigenständigen, demokratischen Presse in der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der Entstehung des investigativen Journalismus weltweit. Erneut werden bekannte Persönlichkeiten (z.B. Marion Dönhoff, Jacques Derogy) porträtiert, aber auch große Presseereignisse wie die Watergate-Recherchen der Washington Post oder die Spiegel-Affäre in eingängiger Form zusammengefasst. Die Entwicklungslinie der Gesetzgebung zu Meinungs- und Pressefreiheit findet für Deutschland mit der Festschreibung von Art. 5 des Grundgesetzes sowie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kontrollfunktion der Medien gleichsam einen Abschluss.
Leider fehlt dem historisch angelegten Band ein ausblickendes Nachwort, sodass abgesehen von einigen Einzelbemerkungen der erhebliche Wandel der Medienlandschaft zu Beginn des neuen Jahrtausends kaum eine Rolle spielt. Dennoch schärft die gebotene Zusammenschau den Blick auch für heutige Entwicklungen und wird damit ihrer Leitfrage nach der Gefährdung von Journalisten vollkommen gerecht. Treffend ist und bleibt die Feststellung der Herausgeber „dass demokratisch verfasste und rechtsstaatlich organisierte Gesellschaften auf den Journalismus und den von ihm erzeugten öffentlichen Diskurs angewiesen sind und bleiben“ (S. 13).